Das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme auf Parkplätzen

17.03.2023, Rechtsanwältin Carina Möser

BGH, Urteil vom 22.11.2022 – VI ZR 344/21

Leitsatz
Die Vorfahrtsregel des § 8 Abs. 1 S. 1 StVO (“rechts vor links“) findet auf öffentlichen Parkplätzen ohne ausdrückliche Vorfahrtsregelung weder unmittelbar noch im Rahmen der Pflichtenkonkretisierung nach § 1 Abs. 2 StVO Anwendung, soweit den dort vorhandenen Fahrspuren kein eindeutiger Straßencharakter zukommt.

Sachverhalt
Der Kläger macht gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall auf einem Baumarktparkplatz geltend. Die markierten Parkbuchten waren durch sich kreuzende Fahrspuren erschlossen. Eine Beschilderung zur Regelung der Vorfahrt oder Fahrbahnmarkierungen gab es nicht.

Der Kläger befuhr eine zwischen den Parkflächen befindliche Fahrgasse. Der Beklagte befuhr eine aus Sicht des Klägers von links kommende und die des Klägers kreuzende Fahrgasse. Im Kreuzungsbereich kam es zum zusammen stoß.

Das Amtsgericht hat der Klage mit einer Haftungsquote von 70/30 zu Lasten des Beklagten stattgegeben.

Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg, sodass er sein Begehren mit der Revision weiterverfolgt.

Urteilsbegründung
Der BGH stellt fest, dass der vom Kläger genutzten Fahrspur kein Straßencharakter zukommt.
Dazu führt der BGH aus, dass ein Parkplatz keine Straße, sondern eine Verkehrsfläche darstellt, die Park- und Rangiervorgängen und Be- und Entladevorgängen dient. Markierungen, die den Parkplatz in Parkplätze und Fahrbahnen einteilen, änderten daran nichts. Vielmehr komme nur ausnahmsweise dann die Vorfahrtsregel “rechts vor links“ zur Anwendung, wenn dem Parkplatz eindeutiger Straßencharakter zukomme. Ein Straßencharakter sei aber nur dann anzunehmen, wenn sich für die Verkehrsteilnehmer unmissverständlich, aufgrund der baulichen Gestaltung und örtlichen Gegebenheiten, ergebe, dass die Fahrbahnen Vorrangig der Zu- und Abfahrt dienten.
Weiter führt der BGH aus, dass die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ keine Anwendung bei Parkplätzen ohne eindeutigen Straßencharakter findet, auch nicht mittelbar. Hingegen gelte auf Parkplätzen das allgemeine Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme.

Fazit
Mit dieser Entscheidung stärkt der BGH wiederholt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. In der Praxis wird es wie bisher in den meisten Fällen auf eine Haftungsteilung hinauslaufen.